BewegungsCHECK MV – Bilanz nach drei Jahren
Der BewegungsCHECK MV ist mittlerweile in fast allen Landkreisen Mecklenburg-Vorpommerns angekommen und zu einem festen Bestandteil im Sportunterricht der Jahrgangsstufe Drei geworden. Ziel des Projektes ist es, die motorische Leistungsfähigkeit und den Stand der körperlichen Aktivität von Grundschulkindern systematisch zu erfassen und daraufhin gezielt zu fördern. Ins Leben gerufen wurde das Projekt des BewegungsCHECK MV zum Schuljahr 2022/23 auf Initiative des Landessportbundes Mecklenburg-Vorpommern, des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Sport, des Ministeriums für Bildung und Kindertagesförderung, sowie dem Institut für Sportwissenschaft der Universität Rostock, die den BewegungsCHECK MV wissenschaftlich begleiten.
Warum ein BewegungsCHECK MV?
Viele Zahlen und Fakten aus dem Alltag - wie ein besorgniserregender Anstieg von Übergewicht und Bewegungsmangel und steigende Bildschirmzeiten im Kindesalter - zeigen, wie wichtig und unabdinglich gezielte Bewegungsförderung ist. Die Empfehlung der WHO lautet: 60 Minuten körperliche Aktivität (intensiv bis moderat) täglich für Kinder im Alter von 3 bis 17 Jahren. Doch aktuell erreichen weniger als 20–25% der Kinder dieses Ziel. Die sich daraus ergebenden Risiken reichen von Haltungsschäden und Diabetes bis hin zu und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie psychische Erkrankungen und dies bereits im Kindesalter. Gleichzeitig ist hinlänglich bekannt, dass körperliche Aktivität die Eintrittskarte für ein langes gesundes Leben ist und nicht nur die Entwicklung der motorischen, sondern auch der kognitiven, sozialen und emotionalen Kompetenzen fördert.
Projektziele und Durchführung
Das Projekt erfasst mittels eines standardisierten Motorik-Tests (basierend auf dem in Brandenburg durchgeführtem EMOTIKON Motorik-Tests der Universität Potsdam) sechs zentrale Bereiche der motorischen Leistungsfähigkeit: Ausdauer, Kraft der oberen und unteren Extremitäten, Schnelligkeit, und Koordination unter Zeitdruck sowie Gleichgewicht. Ergänzt wird die Testreihe durch einen Fragebogen zur körperlichen Aktivität wobei hier z.B. die Sportvereinszugehörigkeit oder das Bewegungsverhalten in der Freizeit erhoben wird.
Die Testergebnisse dienen zum einen als Grundlage für individuelle Rückmeldungen an Schüler und Eltern – mittels des "FITNESS-PASS". Zum anderen erhalten Schulen und Lehrkräfte aggregierte Ergebnisse zur Unterstützung von passgenauen Fördermaßnahmen und können so die Qualität und den Fokus des Sportunterrichts anpassen und weiterentwickeln. Langfristig sollen die gewonnenen Daten helfen, regionale, landesweite und später auch bundesweite Entwicklungen abzubilden und maßgeschneiderte Bewegungsangebote zu etablieren.
Ergebnisse aus drei Schuljahren
Insgesamt wurden in den Jahren 2022/23 bis 2024/25 mit dem BewegungsCHECK MV bereits 6481 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 3 getestet, was eine repräsentative Stichprobe von über 22 % der Drittklässler in MV entspricht. Die Teilnahme am Projekt ist freiwillig und wird maßgeblich von den Kreis- und Stadtsportbünden unterstützt. Dadurch konnte der BewegungsCHECK MV bereits auf 20 % unserer Grundschulen ausgeweitet werden.
Zur grundlegenden Einschätzung der motorischen Leistungsfähigkeit werden die Testergebnisse in drei Kategorien eingeordnet: Motorische Talente, Durchschnittliche Leistungen, Motorische Entwicklungsdefizite.
Zentrale Befunde:
- Nur etwa 8 % der getesteten Kinder zählen zur Gruppe der motorischen Talente – ein Wert, der deutlich unter dem Niveau anderer Bundesländer wie z.B. Brandenburg liegt, dort beträgt der Anteil an motorischen Talenten etwa 25 % der getesteten Schüler.
- Der Anteil an Kindern mit motorischen Entwicklungsdefiziten liegt bei 7 % und ist damit ähnlich wie in Brandenburg, wobei dort ca. 30.000 Schüler pro Schuljahr gemessen werden.
- Die Mehrheit der Kinder zeigt durchschnittliche Leistungen (etwa 85%).
- Auffällig ist, dass viele Schüler in fast allen testspezifischen Ergebnissen – besonders aber in den Bereichen Ausdauer und Gleichgewicht – deutliche punktuelle Defizite aufweisen.
- Körperliche Aktivität hat einen signifikanten positiven Einfluss auf alle getesteten motorischen Bereiche. Kinder, die regelmäßig sportlich aktiv sind, schneiden in allen Tests deutlich besser ab, als ihre inaktiven Mitschüler.
- In der Bilanz der letzten drei Jahre zeigt sich eine signifikante Abnahme der motorischen Leistungsfähigkeit in fünf von sechs getesteten Bereichen: Gleichgewicht, Schnelligkeit, Kraft der oberen Extremitäten, Koordination unter Zeitdruck und Ausdauer sind rückläufig, lediglich bei der Kraft der unteren Extremitäten wurde eine leichte Verbesserung festgestellt.
- Einflussfaktoren wie Geschlecht und Alter werden in den aktuellen Auswertungen bereits berücksichtigt. Dadurch konnte zusätzlich gezeigt werden, dass auch Körpergröße und -gewicht bei der Bewertung der Testergebnisse berücksichtigt werden sollten.
- Besonders besorgniserregend sind Defizite im Bereich Gleichgewicht und Ausdauer, da diese mit gesundheitlichen Langzeitrisiken wie Übergewicht und kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert sind.
- Die erfragten Gründe für körperliche Inaktivität sind vielfältig. Mädchen sprechen häufig von "fehlenden Angeboten". Die Peer-Group spielt beim Thema Bewegung eine zentrale Rolle: Fehlt das sportliche Interesse im Freundeskreis, bleibt oft auch die eigene körperliche Aktivität aus.
- Die Vereinszugehörigkeit bringt - neben den positiven Effekten auf die körperliche Entwicklung - nachweislich ebenso positive Effekte auf die mentale Gesundheit der Kinder mit sich (Move for Health Studie der Deutschen Sportjugend im DOSB e.V.).
Ausblick und Weiterentwicklung
Die Ergebnisse des BewegungsCHECK MV verdeutlichen den akuten Handlungsbedarf zur Förderung motorischer Kompetenzen bei Kindern. Auf Basis der nun eigenen Normwerte für MV und der umfangreichen Datenbasis können ab jetzt gezielt Maßnahmen entwickelt und evaluiert werden. Das Projekt soll ausgeweitet werden: Flächendeckende Tests an Grundschulen (möglichst an allen Grundschulen in MV) und, perspektivisch, in weiteren Klassenstufen sind geplant. Gezielte Handlungsempfehlungen und bedarfsgerechte Bewegungsangebote sind zentrale Bausteine für die Zukunft des Projekts. Zusätzlich sollen die über den BewegungsCHECK MV gewonnen Erkenntnisse mit ihren Zahlen und Fakten in die universitäre Sportlehrerausbildung einfließen.
Die Ergebnisse und die wachsende Akzeptanz des Projekts haben Mecklenburg-Vorpommern auch überregional als Vorreiter sichtbar gemacht. Der BewegungsCHECK MV ist mittlerweile als Fördermaßnahme für den Nachwuchsleistungssport beim Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig gelistet, spielt mit den erhobenen Daten ebenfalls in bundesweiten und internationalen Forschungsinitiativen zur Förderung der Bewegungs- und Gesundheitskompetenz von Kindern eine Rolle und kann einen wertvollen Beitrag liefern.
Fazit:
Der BewegungsCHECK MV setzt wichtige Impulse für die Bewegungsförderung und die nachhaltige Verbesserung der motorischen Kompetenzentwicklung von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern. Durch die wissenschaftliche Begleitung und die offene Kommunikation der Ergebnisse werden Politik, Verbände, Schulen und Vereine gemeinsam in die Verantwortung genommen, Kinder nachhaltig in Bewegung zu bringen.
Martin Schlegel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Institut für Sportwissenschaft
Universität Rostock
Katherina Kammlodt
Referentin Bewegungsförderung für Kinder und Jugendliche
